Dem Alpengummibärchen auf der Spur

30. März 2014 Stefanie Wolf

Seit drei Tagen sind wir unterwegs – erst durch das Höllental und weiter durch das Reintal, hinauf zur Zugspitze. Der Weg ist felsig und steil, an einigen Stellen mit Drahtseilen gesichert. Ich bin oft in dieser Gegend, und eigentlich begegnen wir uns regelmäßig. Doch so sehr ich Ausschau halte, diesmal ist keine Spur von ihm zu sehen. Meine Gäste, die zum Teil von weit her kommen, haben schon die Hoffnung aufgegeben, ihn überhaupt noch zu Gesicht zu bekommen. Aber ich kann ihn verstehen. Es ist heiß, die Sonne brennt und seit Tagen hat es nicht geregnet. Das mag er nicht, der Alpensalamander. Denn er fühlt sich am wohlsten, wenn es mäßig kühl und feucht ist.

Mit seinem tiefschwarzen, feucht-glänzenden Körper mit den großen Augen und den vier dicken Fingern an den Gliedmaßen erinnert er mich immer an ein übergroßes dunkles Gummibärchen, und so habe ich den Alpensalamander einfach in Alpengummibärchen umgetauft.

Als einziges Amphib Europas lebt der Alpensalamander ausschließlich an Land und kann sogar sehr schlecht schwimmen. Aber er ist auf vielfältige Art und Weise außergewöhnlich. Vor Urzeiten ist er dem Wasser gewichen und lebt nun in verlassenen Kleintierbauten, unter Steinen, im losen Geröll, in Felsspalten oder unter Wurzeln, am liebsten in Höhen von 800 bis 2.000m, manchmal aber auch deutlich drüber. Gerne sind die zu den Lurchen gehörenden Tiere während eines Gewitterregens und in der Morgendämmerung zu sehen, wo sie sich auf die Jagd machen nach Regenwürmern, Spinnen, Schnecken oder Insekten. Bei Trockenheit, Wind und in den Abend- und frühen Nachtstunden ziehen sie sich in ihre Schutzbereiche zurück.

Bei der Fortpflanzung sind Alpensalamander sehr flexibel, was ihnen in dieser unwirtlichen Umgebung sehr zu Hilfe kommt. Sie paaren sich während der gesamten Vegetationsperiode von Ende April bis Ende September. In dieser Zeit nimmt das Weibchen das Samenpaket des Männchens auf und kann es in seinem Körper bis zu zwei Jahre „zwischenparken“, so dass es selbst die beste Zeit für die Befruchtung seiner bis zu 50 Eizellen wählen kann. In der Regel wird nur ein einziges Ei, seltener auch zwei Eier befruchtet. Die im Mutterleib geschlüpfte Larve ernährt sich zunächst von ihrer eigenen Eihülle und frisst dann die nicht befruchteten Eier.  Im Anschluss lebt sie von den Nährzellen, die die Gebärmutterwand bildet. Nach einer Tragzeit von zwei bis vier Jahren kommen die kleinen Lurche als komplette Ebenbilder ihrer Eltern lebend zur Welt. Im Alter von drei bis vier Jahren sind auch sie geschlechtsreif und können bis zu 15 Jahre leben.

Artikelfoto Alpensalamander

Zwei Alpensalamader in ihrem Element

Zum Überleben benötigt der Alpensalamander aber intakte Bergwälder und -wiesen sowie umsichtige Bergwanderer und Mountainbiker. Jedes einzelne Exemplar zu schützen ist wichtig, weil die Entwicklung so lange dauern kann und in jeder Population nur wenig Nachwuchs geboren wird.

Meine Gäste versuche ich auf unserer Tour mit dem Hinweis auf ein schönes Bergpanorama zu unterhalten und weise zudem auf den bevorstehenden Wetterumschwung hin, der das Alpengummibärchen vielleicht doch noch aus seine Schutzhöhlen locken könnte. Und tatsächlich, als die Umgebung wieder grüner wird, fallen erste Regentropfen und es dauert auch schon nicht lange, bis sich der erste Alpensalamander auf unserem Weg auf Nahrungssuche macht. Wir begrüßen ihn alle überschwänglich und bestaunen diesen wundersamen kleinen Kerl, der dem Blitzlichtgewitter der Kameras unerschrocken entgegen blickt.

Artikelfoto Alpengummibär

Unerschrocken blickt uns der kleinen Kerl entgegen.