Schneefernerhaus: Umweltforschung auf dem Weg zur Zugspitze

15. März 2015 Peter Hergersberg

Schlechtes Wetter gibt es hier nicht. Klar, das Thermometer sinkt auch im Sommer häufig unter Null, im Winter sind zweistellige Minusgrade eher die Regel, oft tosen hier eisige Stürme, und Angst vor Gewittern sollte auch nicht haben, wer im Schneefernerhaus, wenige 100 Meter unterhalb des Gipfels der Zugspitze arbeitet. Denn kaum einen Ort in Deutschland dürften Gewitterwolken so oft belagern und mit Blitz und Donner attackieren wie den höchsten deutschen Berg. Doch die meisten Mieter des Schneefernerhaus (www.schneefernerhaus.de) können gar nicht nah genug an Wolken und Wetter sein. Denn zahlreiche Institutionen wie etwa das Umweltbundesamt, die Max-Planck-Gesellschaft, die Münchner Universitäten LMU und TU oder das Karlsruhe Institute of Technology, um nur einige zu nennen, haben sich hier eingerichtet, um Wetter und Klima zu erforschen.

Wolken sind ein großer Unsicherheitsfaktor in der Klimaprognose

Wir kommen an dem Gebäudekomplex mit seiner metallisch schimmernden Fassade und dem turmartigen runden Aufbau vorbei, als wir von der Reintalangerhütte über das Zugspitzplatt zur Zugspitze wandern. Wolken hüllen den Gipfel ein. Was uns um den Gipfelblick bringt, dürfte die Forscher im Schneefernerhaus freuen. Denn den Wolken widmet sich eines der Projekte, die sie hier verfolgen. Wo ginge das besser als in 2650 Meter Höhe, wo die Forscher oft mitten in den fluffigen Gebilden aus winzig kleinen Wassertröpfchen stehen? Sie untersuchen, wie sich Wolken bilden und zu Niederschlag verdichten oder sich wieder auflösen. Dafür interessieren sich Klimaforscher, weil sie bisher nicht gut vorhersagen können, ob künftig mehr oder weniger Wolken die Erde einhüllen.

Artikelbild Besteigung Zugspitze Schneefernerhaus

Die Umweltforschungsstation Schneefernerhaus auf dem Weg zum Gipfel der Zugspitze (c) T.Rehm (UFS)

Und vor allem welche Bewölkung zu- oder abnehmen wird: Niedrige Cumuli, die auch mehr Niederschlag bringen und die Erde eher kühlen, oder hohe Zirren, die den Treibhauseffekt verstärken. In den Klimaprognosen gilt die Zukunft der Wolken als eine der größten Unsicherheiten. Wenn Klimaforscher diese besser abschätzen können, werden auch ihre Vorhersagen über die Ausmaße des Klimawandels zuverlässiger. Zu diesem Zweck wollen sie genau verstehen, wie sich Wolken formieren und verflüchtigen.

Klimaforschung an der Zugspitze hat Tradition

Und natürlich werden in der Forschungsstation alle denkbaren Messwerte zu Wetter und Klima aufgezeichnet. Diese Messungen haben auf der Zugspitze die längste Geschichte. Denn eine Wetterstation gab es auf der Zugspitze schon seit dem Jahr 1900 und damit lange, bevor die Forschungsstation Schneefernerhaus eingerichtet wurde. Die Messgeräte im Schneefernerhauses analysieren aber auch die Zusammensetzung der Luft und sogar die kosmische Strahlung. Eine Messstation, die hoch über menschlichen Siedlungen thront, liefert dazu besonders aussagekräftige Daten: Wenn Wissenschaftler fernab von Häusern, Straßen und Industrie etwa die Bestandteile der Atmosphäre samt aller Schadstoffe messen, erhalten sie ein Bild, das nicht durch Emissionen in unmittelbarer Nähe verzerrt wird.

Ein Luxushotel im höchstgelegenen Skiort Deutschlands

Ehe sich die Forschung in den 1990er-Jahren an der Zugspitze einrichten konnte, musste das Schneefernerhaus jedoch gründlich umgebaut werden. Denn am 20. Januar 1931 wurde es ursprünglich als Luxus-Hotel in Betrieb genommen, gemeinsam mit einer Gipfelseilbahn, die die Gäste entspannt zum höchstgelegenen Gipfel Deutschlands brachte. Das Hotel ging durch Höhen und Tiefen: Anfangs zog es Gäste aus aller Welt an, mit Beginn des zweiten Weltkriegs nahm der Tourismus jedoch ein jähes Ende. 1952 wurde es wiedereröffnet und erlebte eine zweite Blüte, als der Skisport immer mehr Menschen begeisterte und an der Zugspitze neue Liftanlagen entstanden.

Artikelbild Zugspitze Umweltforschung

Auf dem Weg zur Zugspitze passiert man die Umweltforschungsstation (c) T.Rehm (UFS)

Neue, leichtere Triebwagen brachten Gäste ab 1954 in 40 statt 80 Minuten in die mondäne Unterkunft, und ab 1956 lockte das Schneefernerhaus mit einem Terrassencafé auch mehr Tagesgäste an.

Das Aus für das Hotel Schneefernerhaus

Doch dann erlebte das Schneefernerhaus das größte Unglück seiner Geschichte: Eine Lawine donnerte am 15. Mai 1965 über seine Terrasse weg und begrub mehr als 100 Menschen unter sich. Es wurden 80 Menschen schwerverletzt, und zehn der Lawinenopfer ließen an diesem traurigen Tag ihr Leben. Nach dem Unglück wurde viel Geld in eine Lawinenverbauung und in den 1970er-Jahren in die Renovierung des Hotels investiert. So erlebte das Haus noch einige gute Jahre. Doch als Ende der 1980er-Jahre das dann leichter zu erreichende Haus SonnAlpin ausgebaut wurde, schloss 1990 erst das Hotel Schneefernerhaus und 1992 dann auch das Restaurant. So machen auch wir bei unserer Zugspitzbesteigung eine kurze Rast in dem modernen Selbstbedienungs-Restaurant.

Artikelbild Zugspitze Hotel Schneefernerhaus

Von hier stürzte die Lawine auf die Terrasse des Hotels (c) T.Rehm (UFS)

Statt Luxushotel nun modernste Labore und engagierte Forscher

Für das Schneefernerhaus wurde das Aus als Hotel- und Gastronomie-Betrieb jedoch zur Chance. Denn mit der Konferenz für Umwelt und Entwicklung, welche die Vereinten Nationen 1992 in Rio de Janeiro veranstalteten, wurde großen Teilen der Weltgemeinschaft bewusst, wie gravierend die Folgen des Klimawandels sein könnten und wie wichtig es ist, ihn zu erforschen. Diese Chance ergriffen die Bundesregierung und die Regierung des Landes Bayern. Acht Millionen Euro wurden in den Umbau gesteckt, der jedoch auch nicht ohne Rückschlag vonstatten ging. 1994 gerieten der fünfte Stock und der Dachstuhl in Brand und wurden durch das Feuer völlig zerstört. Die Zukunft des Schneefernerhaus konnte das Feuer aber nicht auslöschen: Am 12. Mai 1999 eröffnete das Land Bayern die Forschungsstation mit einem Festakt und lud im vergangenen Jahr schon zum 15jährigen Jubiläum ein. Die bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf rühmte die Erkenntnisse, die Wissenschaftler an Deutschlands höchstem Berg bislang gewonnen haben: „Dank modernster Labore und engagierter Wissenschaftler kommen vom Gipfel der Forschung wichtige Impulse für die internationale Klimapolitik.“

Der Klimawandel zeigt schon jetzt gravierende Folgen in den Bergen

Während wir am Schneefernerhaus vorbeisteigen, diskutieren wir etwas kurzatmig über die Erderwärmung und ihre Folgen vor allem für die Bergwelt. Obwohl der Klimawandel erst in den kommenden Jahrzehnten richtig Fahrt aufnehmen wird, sind seine Folgen schon heute unübersehbar. Die Gletscher in den Alpen ziehen sich immer weiter zurück und die Permafrostböden tauen auf. Damit wird auch der Fels instabiler und die Bodenfestigkeit nimmt ab. Das kann zur Folge haben, dass Berghütten einsturzgefährdet sind und aufwendig saniert werden müssen. Das Schneefernerhaus jedoch steht sicher auf dem felsigen Untergrund des Zugspitzmassivs und seine Forscher werden in dem Wolkenmeer hoffentlich neue Erkenntnisse gewinnen, wie Wolken zukünftig zum Klima der Erde beitragen werden. Dafür nehmen wir auch gerne in Kauf, dass sich das goldgelbe Gipfelkreuz heute in Wolken hüllt.

Und wenn Sie selbst einmal Lust auf eine Besteigung der Zugspitze haben, dann kommen Sie doch mit auf unsere geführte Bergwanderung zu Deutschlands höchstem Gipfel.

Bildnachweis:

Grafik Hotel Schneefernerhaus: Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin

Fotografien: Dr. T. Rehm, Umweltforschungsstation Schneefernerhaus

Danksagung: Besonderer Dank an die Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin und Herrn Dr. Rehm (Umweltforschungsstation Schneefernerhaus) für die Bereitstellung der Bilder!

Artikelbild Zugspitze Gipfelkreuz

Am Gipfel der Zugspitze (c)M.Hergersberg